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Weihnachtssitzung des Stadtrates 20.12.2022 Ansprache von Dr. Ingo Mehner, Erster Bürgermeister
icon.crdate05.06.2023
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Vorbereitung auf die heutige Sitzung ist mir aufgefallen, dass die Weihnachtsrede nicht nur einen Überblick über die Projekte des Jahres gibt, sondern auch ein bisserl ein Gradmesser für die Stimmung im Land sein kann.
Weihnachtssitzung des Stadtrates 20.12.2022 Ansprache von Dr. Ingo Mehner, Erster Bürgermeister
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
bei der Vorbereitung auf die heutige Sitzung ist mir aufgefallen, dass die Weihnachtsrede nicht nur einen Überblick über die Projekte des Jahres gibt, sondern auch ein bisserl ein Gradmesser für die Stimmung im Land sein kann.
- 2020 gab es gar keine Weihnachtsrede, so dominant war damals Corona in der
Diskussion. - 2021 ging es neben den von uns gesetzten Inhalten um die allgemeine Gereiztheit in Deutschland. Bundesweite Rahmenbedingungen waren Inzidenzen, Risikogebiete, Impfquoten usw.
- Und unter welcher Überschrift steht 2022?
Bundesweit oder auch weltpolitisch kann man wieder negative Schlagzeilen finden: Krieg in Europa, frierende Menschen, Hunger weltweit, Umweltkatastrophen, in Deutschland Inflation, Sorge um die Versorgungssicherheit. Oder, um es etwas profaner zu formulieren: Boris Becker ist im Gefängnis oder jetzt auch wieder nicht, Weihnachten mal wieder ohne Schnee und dann das Desaster für Deutschland bei der
ersten Fußball WM im Advent. Eine schöne Bescherung.
Ob die Welt tatsächlich so negativ ist, wie man manchmal bei der Lektüre der Nachrichten den Eindruck bekommt, weiß ich nicht und es ist vielleicht auch nicht meine Aufgabe, das
abschließend zu bewerten.
Darum will ich lieber den Blick auf unsere Stadt richten. Mit einer Weihnachtskarte erreichte mich gestern ein sehr passendes Zitat von Marie Curie: „Man merkt nie, was schon getan wurde, man sieht nur, was noch zu tun bleibt.“ Auch in Bad Tölz gibt es noch viele Aufgaben zu erledigen und Herausforderungen zu meistern. Es gibt aber auch viele gute Projekte, schöne Erlebnisse und positive Ergebnisse.
Und auch viele positive Rückmeldungen. Insbesondere ist es immer erfreulich zu erleben, wie wir von außen gesehen werden. Wir selbst sind ja oft „betriebsblind“. Bei Rückmeldungen von außerhalb wird immer eines klar: Wir sind keine beliebige, austauschbare Stadt. Bad Tölz ist eine Marke. Und das werden wir im kommenden Jahren mit Maßnahmen wie unserer Markenentwicklung und dem Gestaltungsleitfaden weiter unterstreichen.
Aber zurück zu den Einflüssen von außen. Als Stadt sind wir auch von den großen, weltpolitischen, Auswirkungen betroffen. Interessanterweise schlagen im Rathaus oft ganz andere Bürgeranliegen auf. Inhalte sind meistens: Weniger Strafzettel oder mehr kontrollieren, mehr Blitzen vor dem eigenen Haus aber weniger in der restlichen Stadt, mehr oder weniger Verkehrsschilder, Bebauung auf dem eigenen Grundstück oder auf dem Nachbargrundstück.
Im Stadtrat haben wir gut daran getan, dass wir uns nicht im Klein-Klein verlieren. Dass wir uns – meistens zumindest – überlegen, was wir machen müssen, um die Stadt zu entwickeln. Uns ist bewusst, welche Herausforderungen diese Welt für uns bereithält. Wir wissen, dass wir nicht alles vor Ort lösen können und trotzdem versuchen wir Antworten auf die großen
oder zumindest größeren Herausforderungen zu geben. Es gelingt uns nicht immer, aber doch oft.
Und wir lassen Entwicklungen nicht nur auf uns zukommen. Wir beschäftigen uns viel mit Hintergründen und mit der Zukunft. Ein Beispiel war unsere Stadtratsklausur zur Sozialraumanalyse.
Dass wir genug Handlungsspielraum für die Zukunft haben, hängt wesentlich auch mit unserer Haushaltssituation zusammen. Unsere Haushaltsdisziplin auf der einen Seite, gute Gewerbe- und Einkommenssteuerzahlen auf der anderen Seite ermöglichen es uns, aktiv Projekte für die Zukunft anzugehen. Vielen Dank dazu an alle Unternehmen und Beschäftigten, die mit ihrer Arbeit dies alles ermöglichen.
Lassen Sie mich einige wesentliche Entwicklungen in der Stadt in sieben Oberpunkten zusammenfassen.
- Beleben der Stadt
Ein großes Thema für mich und auch die meisten Stadtratsmitglieder ist das Beleben der Stadt. Letztes Jahr mussten wir während Corona feststellen: „Uns fehlen Feste, Termine, Treffen, ungezwungener Austausch.“ Dieses Jahr können wir zusammenfassen:
- Wir hatten Leonhardi (ein wunderschönes Leonhardi), einen Christkindlmarkt der ganz stark angenommen wird und viele weitere Märkte,
- „4 Tage, 4 Bands“ im Bürgergarten, mit zusammen zirka 3.000 Zuschauern,
- drei Tage Oachfestival der Stadtwerke,
- zehn Tage Blombergfestival, unter anderem mit Freiluftkonzerten und
Freiluftkino, - „G’hört und G’lesen“ – die Marktstraße wurde vier Tage lang zu unserem
Lesewohnzimmer, - das Jugendsinfonieorchester hat in der Marktstraße gespielt,
- private Veranstalter wie 16 Abende „BrotZeit und Spiele“ von Wolfgang Ramadan im Rosengarten oder die Veranstaltungen von Peter Frech im Moraltpark,
- „Rosentage“ mit zirka 15.000 Besuchern,
- hundert Konzerte im Rahmen der Stadt mit der besonderen Note.
Neben den Kosten für die städtischen Veranstaltungen haben wir auch in unserem Kultur-fonds 160.000 Euro für die Unterstützung und Absicherung privater Veranstaltungen zur
Verfügung gestellt.
Insgesamt ist es so gelungen, dass wir an 300 Tagen städtische Veranstaltungen oder von der Stadt unterstützte Veranstaltungen hatten.
- Kinder, Jugendliche und Sportstätten
- Bespielbare Stadt geht weiter, dieses Jahr vor allem mit den Spielplätzen in Ellbach und an der Jugendförderung.
- Neuer Fahrradparcours an der General-Patton-Straße.
- Spielgeräten im öffentlichen Raum,
- Schaffung des zusätzlichen Übungsraums für den Turnverein an der Dreifach-Turnhalle. Generell viele Sanierungsarbeiten an der Turnhalle.
- Der viergruppige Kindergarten an der Jahnstraße wurde fertiggestellt.
- Die Jahnschul-Turnhalle ist fertiggestellt.
- Den Probenraum für die Stadtkapelle werden wir Anfang des Jahres besichtigen können.
Auch wenn das, was wir mit dem Erweiterungsbau der Jahnschule geschaffen haben, ein echter Mehrwert ist, so werden wir auch bei dem Projekt auf den Boden zurückgeholt. Solche Bauten sind keine Selbstläufer. Die Probleme mit dem Dach binden uns aktuell noch faktisch und werden uns auch nach der Behebung noch juristisch beschäftigen.
- Aufenthaltsqualität
- Kurz vor dem Winter wurde der erste Bauabschnitt im Gries fertiggestellt.
- Die WC-Anlage am ZOB ist saniert, die Planung und Sanierung weiterer WC-Anlagen läuft.
- Verkehr und Infrastruktur
- Nordspange: Nach dem Planfeststellungsbeschluss 2020 und Finanzierungszusage 2021 hat man dieses Jahr auch schon die ersten Maßnahmen wahrnehmen können. Das Baufeld wurde und wird in diesem Jahr freigemacht,
Zuwegungen hergestellt, Sparten werden verlegt.
Mit den eigentlichen Baumaßnahmen soll es nächstes Jahr losgehen. - Auch wir haben viel gebaut, zum Beispiel die Sanierung der Bairawieser Straße, aber auch viele andere Sanierungsmaßnahmen an Straßen und
Wegen. - In diesem Jahr haben wir das Zertifizierungsverfahren AGFK zur „fahrradfreundliche Kommune“ absolviert und damit verbunden eine Vielzahl einzelner Verbesserungen realisiert.
- Dennoch bleibt ein ständiges Ringen um kleine und große Verbesserungsmöglichkeiten.
- Die Abgabe der Verkehrsüberwachung auch im ruhenden Verkehr an den Zweckverband ist erfolgt. Jahrelang wurde kritisiert, dass wir in Tölz so scharf kontrollieren, wie keiner. Jetzt haben wir den gleichen Standard wie 156 Gemeinden von Füssen bis zum Chiemsee.
- Und dann das große Thema Breitbandversorgung: Des einen Freud, des anderen Leid. Telekommunikationsunternehmen versorgen seit diesem Jahr mehrere Tausend Einwohner zusätzlich mit Glasfaser bis zum Haus. Die Schattenseite sahen Sie 2022 bei den Straßenbaumaßnahmen. Wir freuen uns über schnelles Internet, wir würden uns aber auch über gute Baustellenplanung und -durchführung durch die Privaten freuen.
- Energie- und Nachhaltigkeit
- Große Bandbreite: von Blühwiesen bis zu großen Infrastrukturmaßnahmen.
- Etwas, das wir dieses Jahr bei 2 ½ Stunden Bürgermeisterradltour dargestellt haben, lässt sich hier nur kurz anreißen.
- Wurde in diesem Jahr zu einem noch größeren Thema.
- Wir haben das große Glück, unsere Stadtwerke zu haben. Mein Dank gilt auch den sieben Aufsichtsratsmitgliedern aus Ihren Reihen.
- Jedes Jahr investieren wir einen siebenstelligen Betrag in den Netzausbau der Nahwärme.
- Aber es geht nicht nur um den Netzausbau, sondern auch um den Bau eines
weiteren Heizwerkes. Hier haben wir in diesem Jahr den Durchbruch geschafft.
In einem aufwändigen Verfahren haben wir einen Standort entwickelt: Unser nächstes großes Heizwerk der Stadtwerke wird hinter dem Feuerwehrhaus entstehen und wird von dort sowohl die Karwendelsiedlung, als auch das Badeteil versorgen können. Aktuell laufen die Voruntersuchungen und die Bauplanung. - Im Bereich der Stromerzeugung haben wir in den letzten Jahren schon mehr gemacht, als die meisten anderen Kommunen. Hervorzuheben sind unter anderem das Isarkraftwerk und die große Fotovoltaik-Anlage auf der ehemaligen Deponie im Farchet. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, sondern planen und realisieren ständig weitere Anlagen, dieses Jahr zum Beispiel die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach der Kläranlage.
- Wohnen in der Stadt Bad Tölz
- Das Thema ist komplex und es gibt keine Lösung ohne Nachteile. Bauen sorgt für Nachzug, Nichtbauen bedeutet nicht gedeckter Bedarf, neue Flächen ausweisen bedeutet Zersiedelung. Deshalb haben wir uns für Innenbereichsentwicklung entschieden und versuchen, möglichst selten in den Außenbereich zu gehen. Das bedeutet, dass nicht genutzte Flächen genutzt oder bereits genutzte Flächen intensiver genutzt werden. Das ist auch der Weg, den der Gesetzgeber vorgibt, aber er ist auch nicht problemlos und leider nicht konfliktfrei.
- Königsdorfer Straße: Neun Wohneinheiten fertiggestellt und vermietet.
- Hintersberg: Bebauungsplan aufgestellt, von den 23 zum Verkauf stehenden Grundstücken haben wir die meisten beurkundet.
- Die Erwartungen an die Städte und Gemeinden sind bei dem Thema groß
und trotzdem kann keine Kommune das Thema lösen, erst recht nicht alleine. Darum sind Maßnahmen wichtig, wie jetzt zum Beispiel der Unternehmer, der am Kogelweg zehn Mitarbeiterwohnungen baut oder die Baugenossenschaft, welche an der Osterleite baut.
- An der Arzbacher Straße haben wir einen Bebauungsplan für zirka 30 bis 40 weitere Einheiten aufgestellt (Geschosswohnungsbau). Hier entwickeln wir
gerade das Konzept für die Umsetzung. - Auch wenn der Bedarf an günstigem Wohnraum (wenn es so etwas bei den heutigen Grundstückspreisen und rechtlichen Anforderungen an Gebäude in unserer Region überhaupt noch geben kann) in Oberbayern immer noch groß ist, so hatten wir doch einige gute Projekte. Und es ist uns die letzten Jahre
gelungen, dass deutlich weniger der hochpreisigen Eigentumswohnungen
entstanden sind, als in den Vorjahren. Aber es zeigt sich auch, dass es immer noch einige gibt, die ohne Rücksicht auf Risiken und die eigene Reputation versuchen, Eigeninteressen durchzusetzen. Ich sage nur vom Zweiklang zum Missklang. Ich danke dem Stadtrat, dass er sich diesen Spekulanten so entschieden entgegenstellt.
- Gewerbe und Tourismus
- Große Bandbreite: Von Ansiedlung TIZIO bis zur Tölzer Obstbaumschule.
- Beim Moraltpark dürfte vielen von Ihnen die Komplexität der Themen bewusst werden. Die von uns beauftragte Machbarkeitsstudie ist ein wichtiger Schritt. Aber es gibt noch viele Stolpersteine. Appell: Bei jedem einzelnen Punkt findet man ein oder zwei, die dagegen sein können. Wir müssen es aber schaffen, einen gangbaren Weg im Einvernehmen mit Eigentümern, Landratsamt, Wasserwirtschaftsamt, Straßenbauamt u.v.a.m. zu finden. Und vor allem müssen wir einen Weg finden, auch wenn jeder von in seiner Idealvorstellung Abstriche machen muss. Wahrscheinlich haben wir im Gremium 25 unterschiedliche
Vorstellungen von einem Optimum. Es geht nicht darum, ein Idealbild zu verwirklichen, sondern eine positive Entwicklung machbar zu machen. - Zum Tourismus möchte ich nicht die vielen Einzelpunkte aufzählen, sondern vor allem noch einmal an die positive Entwicklung auf der Wackersberger Höhe hinweisen.
- Sie selbst haben sich intensiv mit den Planungen zum Kurhaus auseinandergesetzt und werden dies kommendes Jahr vermutlich noch intensiver tun.
- Soziales:
- Weitreichende Entscheidung: Neubau eines Pflegeheims durch „Schleich & Haberl“ und Betrieb des Pflegeheims durch den „Paritätischen Wohlfahrtsverband“.
- Organisation Ukraine Flüchtlinge durch großes Netzwerk und Koordination durch Franz Späth.
- Nicht umsonst haben alle 21 Bürgermeister des Landkreises die Bundestagsabgeordneten darauf hingewiesen, dass die bisherigen Fluchtbewegungen noch nicht verarbeitet sind und – von der Öffentlichkeit fast noch unbemerkt – jede Woche ein Bus mit neuen Flüchtlingen in den Landkreis kommt.
- Unsere kommunale Sozialplanung hilft enorm, diese massiven Herausforderungen zu bewältigen.
Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt, der Stadtwerke und des Josefistifts für ihre Arbeit.
Und ich danke Ihnen allen für Ihr ehrenamtliches Engagement. Demokratie funktioniert nur, wenn sie von unten aufgebaut ist. Und Demokratie funktioniert nur, wenn in den Kommunen verantwortungsbewusst gearbeitet wird. Meine einleitenden Worte sollten zeigen, dass wir auch in Bad Tölz alles andere als unabhängig von den Entwicklungen in Deutschland und der Welt sind. Wir sind diesen aber nicht nur ausgeliefert, sondern wir sind auch aufgerufen, diese Herausforderungen zu meistern. Gerade in diesem komplexen Umfeld gehört viel Einsatz dazu, aber auch Können und die Bereitschaft, sich in die Themen einzuarbeiten und sich ihnen wirklich zu stellen. Da reicht es nicht zu sagen: „Ich will aber“.
Als Privatperson haben Sie, wie alle anderen auch, die Möglichkeit, Einzelaspekte zu verfolgen oder Einzelinteressen durchzusetzen. Die Aufgabe als Stadtrat ist deutlich anspruchsvoller. Da sollte man nicht nur sagen, ich will A oder ich möchte B. Sondern Sie müssen Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit lösen. Und da sind wir bei einem komplizierten Punkt:
Beispielsweise bei Bauverfahren sehen wir immer wieder, dass der Bauwerber andere Interessen hat, als der Nachbar. Da genügt es eben nicht, nur auf den einen oder anderen zu
hören. Es darf sich auch nicht derjenige durchsetzen, der lauter ruft. Sondern wir müssen uns überlegen, was ist für die Gesamtheit am besten. Und das Ganze eingebettet in das, was wir als rechtlichen Rahmen aus Land, Bund und Europa bekommen, was wir an überregionalen Einflüssen haben, was wir an Förderungen erhalten, aber auch, was wir an Prügeln zwischen die Beine geworfen bekommen.
Ich hoffe jetzt nicht, dass Sie von diesem hohen Anforderungsprofil an ein Stadtratsmitglied erschlagen sind. Ich möchte aber hervorheben, dass Ihre Tätigkeit weit komplizierter ist, als sich das viele von außen vorstellen. Und ich möchte Ihnen herzlich danken, dass Sie sich dieser Herausforderung stellen. Das ist zum einen ein enormer zeitlicher Faktor. Zum anderen erfordert es aber auch eine große Bereitschaft, sich in alles einzuarbeiten und auch die Fähigkeit, viel zu durchdringen. Herzlichen Dank hierfür!
Ihnen allen, liebe Stadtratsmitglieder, Mitarbeiter, Vertreter der Presse und Zuschauern,
wünsche ich Frohe Weihnachten, Zeit mit Ihrer Familie und die nötige Ruhe, Erholung und Inspiration.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.